Bsirske befürchtet Salamitaktik – Formale Staatsgarantie soll Renditejäger abschrecken – Verdi für evolutionäre Entwicklung – Machnig: Selbst BMF will keine Privatisierung mehr – Rolle Privater spaltet auch Bundestagsfraktionen – Lühmann: Neuer BVWP wird Länderverwaltungen zeitweise überfordern.
Die DGB-Gewerkschaften befürchten, dass eine Bundesfernstraßengesellschaft vor allem dazu dienen soll, dem Privatkapital einen roten Teppich auszurollen. Aus diesem Grund bringen sie aber auch dem Bodewig-Modell einer Finanzierungsgesellschaft Misstrauen entgegen.
Das war der Tenor auf einer Veranstaltung von DGB und Friedrich-Ebert-Stiftung am Donnerstag in Berlin. Privatisierungsängste waren auch Thema auf einer Veranstaltung der Logistikerverbände BÖB und DSLV am Abend.
Bsirske befürchtet Salamitaktik
Verdi-Chef Frank Bsirske vermutet einen Vierstufenplan: Zuerst komme der Wechsel zu einer privatrechtlichen Organisationsform, dann würden ÖPP zum Standard. In der dritten Stufe werden hochverzinsliche Anleihen begeben, und in der vierten Stufe werde die Gesellschaft privatisiert. Auch mit dem Konzept der Bodewig-II-Kommission würden Brücken für die Beteiligung Privater gebaut. Die Notwendigkeit privaten Kapitals für die Infrastruktur sei aber nicht begründet.
Formale Staatsgarantie soll Renditejäger abschrecken
Bsirske forderte als „Leitplanken“, dass eine Fernstraßengesellschaft in Staatseigentum bleibt und bei Kreditaufnahme auch eine formale Staatsgarantie erhält, damit keine überhöhten Zinsen gezahlt werden müssen.
Befremdet äußerte sich Bsirske über „Hinweise aus bestimmten Bundesressorts“, die Gewerkschaften sollten bei Anlagemöglichkeiten für Private nicht so bremsen, es gehe schließlich auch um Rentenfonds und betriebliche Altersversorgung.
Verdi für evolutionäre Entwicklung
Für eine Debatte über eine bessere Aufgabenverteilung und strukturelle Reformen in der Straßenbauverwaltung zeigte sich Bsirske offen. Eine „evolutionäre Entwicklung“ sei ihm allerdings lieber als zehn Jahre lang alles umzukrempeln. „Was Bodewig vorschlägt, scheint mir sehr plausibel zu sein.“ Lühmann reicht das Bodewig-Konzept einer „öffentlich-öffentlichen Partnerschaft“ – gemeint war das Besteller-Ersteller-Prinzip – nicht: „Wir wollen das selbst machen, betonte sie.
Machnig: Selbst BMF will keine Privatisierung mehr
Wirtschaftsstaatsekretär Matthias Machnig verteidigte die Idee einer Bundesautobahngesellschaft vor allem mit dem Hinweis auf die ungleichmäßige Leistungsfähigkeit der Länderverwaltungen. Eine kleine Reform reiche nicht. „Ich kann den qualitativen Unterschied zwischen dem heutigen System und dem Bodewig-Konzept nicht erkennen.“
Die Gefahr einer Infrastruktur-Privatisierung sieht er nicht. „Nicht einmal das Bundesfinanzministerium will noch eine Privatisierung.“ ÖPP seien nicht der Königsweg, aber sinnvoll, wenn sie wirtschaftlich günstiger sind. Machnig zeigte sich verwundert, dass beim Breitband-Ausbau private Investitionen allgemein akzeptiert seien, bei Verkehrsinfrastruktur aber so vehement abgelehnt werden.
Er machte deutlich, dass es zwischen BMWi und BMVI noch Differenzen bezüglich der Fernstraßengesellschaft gebe, etwa bei der Einbeziehung der Bundesstraßen oder der Gesellschaftsform.
Rolle Privater spaltet auch Bundestagsfraktionen
Bei einer weiteren Podiumsdiskussion zum Thema Fernstraßengesellschaft auf einer Veranstaltung des Binnenhafenverbandes BÖB und des Speditionsverbandes DSLV wurde deutlich, dass die unklare Zielrichtung des Konzepts für die Fernstraßengesellschaft auch die Bundestagsfraktionen spaltet. Die Sorge „vor einer Privatisierung ist das, was uns bisher davon abhält, für eine Infrastrukturgesellschaft zu sein“, sagte der Linken-Verkehrsexperte Herbert Behrens. „Ich möchte nicht, dass die Verkehrsinfrastrukturpolitik von Versicherungskonzernen bestimmt wird.“
Auch bei den Grünen sei die Sorge vor einer Privatisierung maßgeblich für die Skepsis gegenüber einer Bundesfernstraßengesellschaft, sagte die Finanzpolitikerin Anja Hajduk. Lühmann. Die SPD-Verkehrspolitikerin Kirsten Lühmann forderte für den Fall eine Kreditfähigkeit der Gesellschaft ein Staatsgarantie: Eine staatseigene Gesellschaft habe auch ohne formale Staatsgarantie immer eine implizite Staatshaftung; der Verzicht auf eine Staatsgarantie – wie von der Fratzscher-Kommission gefordert – sei also reine Augenwischerei, nur um höhere Zinsen zu ermöglichen.
Lühmann: Neuer BVWP wird Länderverwaltungen zeitweise überfordern
Behrens zeigte sich schließlich erfreut, dass sich sogar der Union-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg gegen eine Privatisierung aussprach und ein Konsens in dieser Frage bestehe. „Dann können wir ja in eine Diskussion darüber eintreten, wie wir Infrastruktur besser steuern.“
Lühmann votierte unter anderem mit Blick auf den neuen BVWP für eine Bundesgesellschaft. Künftig würden große Projekte ohne Rücksicht auf Jahres-Länderquoten zügig durchfinanziert, sie müssten also auch zügig durchgeplant werden. Das bedeute, dass einige Länder einige Jahre sehr viel zu tun haben und dann sehr wenig. „Wie kriege ich das hin? Ich kann das Personal ja nicht für drei Jahre einstellen.“
Eher skeptisch zeigte sich BÖB-Präsident Rainer Schäfer. Ein Zusammenwirken des Bundes und der Länder sei unabdingbar, eigentlich müssten sogar die Kommunen miteinbezogen werden. „Jede Kette ist nur so stark wie das schwachste Glied.“ (roe)