Abschlussbericht für Abgasskandal noch nicht in Sicht

  • Abgasnachprüfungen bei rund 60 Modellen
  • Odenwald: BMVI nimmt Hinweise von DUH auf
  • Europäische Vorschriften bieten zu viel Interpretationsspielraum
  • US-Vorschriften strenger und präziser
  • Luxemburg nimmt eigene Typgenehmigungspraxis unter die Lupe
  • Prüfung der Motorsoftware wird schwierig

Verkehrsstaatssekretär Michael Odenwald, Leiter der Untersuchungskommission für den Abgasskandal, lehnt es ab, einen Termin für den Abschlussbericht zu nennen. „Ich werde mich nicht auf Termine festlegen, das wäre unseriös“, sagte er am Mittwoch bei einem Fachgespräch der Grünen-Bundestagsfraktion. Wenn die Regierung etwas amtlich veröffentliche, habe das eine ganz andere Wirkung als Veröffentlichungen anderer Institutionen. Daher gehe Gründlichkeit und Sachlichkeit vor. Er ließ aber durchblicken, dass auch ihm an einem zügigen Abschluss liege.

Abgasnachprüfungen bei rund 60 Modellen

Wie der Staatssekretär berichtete, lässt die Kommission „alle relevanten im Markt befindlichen Fahrzeuge“ nachprüfen. Das seien rund 60 Modelle der Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6. Die endgültige Zahl stehe noch nicht fest, „es können auch 65 werden“. Dabei werde auch auf der Straße gemessen. Durchgeführt würden die Messungen von Prüforganisationen wie TÜV, Dekra oder GTÜ. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) besitze weiterhin keinen eigenen Prüfstand und sei auch personell nicht in der Lage, die Messungen selbst vorzunehmen. „Die Philosophie war bisher eine andere.“ Der notwendige Personalaufbau beim KBA „wird auch ein Thema bei den nächsten Haushaltsverhandlungen sein“, kündigte er an.

Odenwald: BMVI nimmt Hinweise von DUH auf

Den Vorwurf, das BMVI nehme Hinweise der Deutschen Umwelthilfe (DUH) nicht ernst, wies Odenwald zurück. Die DUH habe „sehr detaillierte Hinweise“ gegeben“, die auch geprüft würden. Er wich aber der Frage aus, warum die DUH nicht einmal mehr Eingangsbescheide erhalte. Die DUH sei aber nicht die einzige Hinweisgeberin, betonte er. „Sie glauben nicht, was wir an Hinweisen und Whistleblower-Informationen bekommen. Aber wir wollen auch mal fertigwerden.“ Der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer blieb allerdings bei seiner Vermutung, die Bundesregierung wolle den Skandal aussitzen.

Europäische Vorschriften bieten zu viel Interpretationsspielraum

Odenwald forderte, die europäischen Regelungen zu Abgasgrenzwerten präziser zu fassen, damit es nicht zu national unterschiedlichen Auslegungen komme. Es sei bisher unklar, wie die Anforderung, die Grenzwerte dürften „in normal use“ nicht überschritten werden, auszulegen sei. Daimler hatte die Abschaltung des Emissionsminderungssystems im Mercedes 220 CDI bei Temperaturen unter 10 Grad Celsius mit „Motorschutz“ begründet. Hinter den Kulissen war allerdings zu hören, dass die Bundesregierung offensichtlich vermeiden wolle, die Auslegung gerichtlich klären zu lassen: Theoretisch könnte sie derart auffällig gewordenen Fahrzeugen die Typzulassung entziehen, wogegen Daimler dann gerichtlich vorgehen müsste.

US-Vorschriften strenger und präziser

Auch Vicente Franco vom International Council on Clean Transportation (ICCT), das den VW-Skandal ins Rollen gebracht hatte, stellte Auslegungsdifferenzen dar. Zahlreiche Praktiken, die in den USA illegal seien, würden zum Beispiel vom KBA akzeptiert. Franco ließ ferner sein Unverständnis durchblicken, dass schwere Lkw heute im Realbetrieb weniger NOx ausstoßen als die meisten getesteten Pkw.

Luxemburg nimmt eigene Typgenehmigungspraxis unter die Lupe

Ein Ford aus Luxemburg?
Ein Ford aus Luxemburg? (Ausschnitt aus einem Fahrzeugbrief von 2001)

Darüber hinaus gebe es offenbar einen Wettbewerb um Typgenehmigungen zwischen den europäischen Ländern: Auf Luxemburg entfielen 20 Prozent der EU-Typzulassungen; auch die Niederlande und selbst Malta seien vertreten. Claude Turmes, grüner Europaparlamentarier aus Luxemburg, sagte allerdings, dass der neue grüne Verkehrsminister in Luxemburg einen Audit der Zulassungsbehörde angeordnet habe.

Prüfung der Motorsoftware wird schwierig

Skepsis gab es gegenüber dem Vorschlag der Bundesregierung, die Autohersteller zur Offenlegung der Motorsoftware zu zwingen. „Wir werden uns nicht wehren, wenn man glaubt, das durchdringen zu können“, sagte Reinhard Kolke, Leiter des ADAC-Technik-Zentrums, mit Blick auf den enormen Umfang des Codes. Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) schlug, die Software von öffentlich finanzierten Universitätsinstituten prüfen zu lassen.

Bedauert wurde allgemein, dass sowohl Daimler als auch der Automobilindustrieverband VDA ihre Teilnahme am Fachgespräch unter Berufung auf Terminschwierigkeiten abgesagt hatten. (roe)

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