Wer Äpfel mit Kiwis anhand von Rosenkohl vergleicht, wird nicht zum Erkenntnisgewinn beitragen. Dessen sollten sich die Befürworter und Gegner von ÖPP endlich bewusst werden. Die Infrastrukturkonferenz der Tageszeitung „Die Welt“ in der vergangenen Woche hat wieder einmal bewiesen, dass beide Seiten bei diesem Thema hoffnungslos aneinander vorbeireden.
Das einzig Schöne für die Teilnehmer auf den Podien ist, dass sie höchstens eineinhalb Minuten benötigen, um gegenüber ihren eigenen Anhängern zu beweisen, dass sie „Recht haben“. Nur: Damit werden sie weder zweifelnde Zuhörer geschweige denn den jeweiligen Gegner überzeugen. Blinde Gläubigkeit gegenüber dem Bundesrechnungshof ist genauso wenig hilfreich wie ein „nur bedingtes Verständnis“ für dessen Argumente.
Wenn man dennoch mutig unterstellt, dass es in einer Diskussion darum gehen sollte, Gegner und das Publikum zu überzeugen, sollten sich ÖPP-Befürworter und Gegner erst einmal auf die Fragen einigen. Wie sie dann die Antworten bewerten, steht ihnen immer noch frei. Voraussetzung ist allerdings, dass auch BMVI und Bundesrechnungshof ihre Beiträge leisten: Dass BMVI sollte zum Beispiel seine Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen offenlegen, und der Rechnungshof seine Kalkulation für die 1,9 Mrd. EUR behaupteten Mehrkosten.
Der Kostenvergleich von ÖPP ist nicht trivial
Hauptstreitfrage ist, ob ÖPP „teurer“ oder „billiger“ ist. Doch das ist zu flach gefragt. Die eine Perspektive ist die der öffentlichen Haushalte. Die bei ÖPP-Projekten für Bau und 30 Jahre Betrieb aufgerufenen Summen klingen abenteuerlich. Aber sind es möglicherweise gerade die späteren Unterhaltungskosten, bei denen sich die öffentliche Hand bisher in die Tasche lügt:
Was würden 30 Jahre gewissenhafte Erhaltung bei konventioneller Beschaffung kosten?
Wie sieht es mit den Risiken in der Bauphase aus? Nachträge sind bei konventioneller Beschaffung an der Tagesordnung, Pech für den Steuerzahler. Bei ÖPP ist es Pech für den Auftragnehmer, wenn er Risiken falsch eingepreist hat.
Eigentlich zweitrangig ist die Frage der höheren Zinsen, die Privatunternehmen zu zahlen haben. Entscheidend ist, was die öffentliche Hand unter dem Strich zu zahlen hat.
Bei welchen Bemessungsrahmen ist ÖPP schneller?
Die zweite große Streitfrage ist, ob mit ÖPP „schneller“ gebaut werden kann. Die Antwort hängt vermutlich davon ab, wann die Stoppuhr zu laufen beginnt. Beim rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss, beim Zuschlag an das Unternehmen oder beim ersten Spatenstich? Von ÖPP-Gegnern wird ins Geld geführt, dass die zusätzliche Schleife mit der ÖPP-Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und das aufwendige Vergabeverfahren zusätzlich Zeit kostet.
ÖPP-Befürworter verweisen darauf, dass die Bauphase viel schneller absolviert wird als bei konventioneller Beschaffung: Es gibt keine „Schlafbaustellen“ wegen Streits um Nachträge oder Insolvenz kleiner Baufirmen. Der ÖPP-Auftragnehmer profitiert von einer verfügbaren Straße, nicht vom Bau.
Daran schließt sich sich die Frage an, ob ÖPP volkswirtschaftlich monetär bewertbaren Zusatznutzen erzeugen, weil die Bauphase kürzer ausfällt und Staustrecken eventuell früher entschärft werden.
Was ist nach Vertragsablauf?
Sehr schwierig zu beantworten sein wird die Frage, was eigentlich nach Ablauf eines 30-Jahre-Vertrags teurer ist. Können Bauunternehmen das Baukosten-Lebensdauer-Verhältnis so optimieren, dass die ÖPP-Strecke die Abnahmekriterien gerade so eben noch erfüllt, bevor eine Sintflut von Erhaltungsinvestitionen über die öffentliche Hand hereinbricht? In Deutschland gibt es noch keine Erfahrungen, also müsste man ins Ausland schauen.
Ist jedes Projekt für ÖPP geeignet?
Ein Blick ins Ausland wird auch nötig sein, wenn es darum geht, geeignete Anwendungsgebiete für ÖPP zu identifizieren. Hat beispielsweise ein reines Instandhaltungs-ÖPP Sinn, wie es das BMVI derzeit für ein Teilstück der A4 plant? Schließlich hatte der Auftragnehmer keine Chance, die Bauqualität zu beeinflussen, und wird wahrscheinlich höhere Risiken einpreisen.
Lohnt sich Verwaltungsoptimierung?
Schließlich darf, sollte und muss die Frage gestellt werden, inwiefern ÖPP möglicherweise nur deshalb Vorteile hat, weil die öffentliche Verwaltung nicht ideal funktioniert. Daran schließt sich die Frage an, ob es sinnvoller ist, die Verwaltung zu verbessern, oder ob in der Abwägung des Aufwands ÖPP nicht doch der realistischere Weg ist.
Ohne Moderator wird es nicht gehen
In der vergangenen Legislaturperiode gab es eine ähnlich verfahrene Debatte zwischen Lkw-Unternehmen einerseits und Handel und Industrie andererseits über die Zustände an den Laderampen. Damals hat das Verkehrsministerium einen Unternehmensberater als Moderator bereitgestellt, um erst die Fragen und dann die Antworten zu sortieren.
Beim mindestens ebenso verfahrenen Streit um ÖPP wird es ebenfalls nicht ohne unverdächtigen Moderator gehen. Wie wäre es, wenn diesmal der Bundestags-Verkehrsausschuss die Schirmherrschaft übernimmt und einen Moderator bestellt? (roe)