Meinung: Wenn das Geld da ist, und keiner es abholt

Es erinnert an das Pfeifen im dunklen Wald: „Änderungen an der Straßenbauverwaltung nur wegen eines Gutachtens in wenigen Wochen oder Monaten – das ist nicht möglich“, wiegelte Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba noch vor zwei Wochen auf der Verkehrsministerkonferenz ab. Und für Christian Pegel, den amtierenden Vorsitzenden der VMK, läuft im Grunde alles ganz gut mit der Auftragsverwaltung durch die Länder. Doch die klare Ansage aus BMVI und Bundesfinanzministerium, dass im Zuge der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen „irgendwann“ eine Verkehrsinfrastrukturgesellschaft für die Bundesfernstraßen entstehen soll – nennen wir sie „VIG“ -, schafft indirekt mehr Druck zum schnellen Handeln als die Akteure wahrscheinlich selbst vermuten.

Bund muss sich auf „Kampf um die Köpfe“ einstellen

Bis 2019 steht ein bisher nicht dagewesener Investitionshochlauf ins Haus, für den die öffentliche Hand ihre Planungskapazitäten deutlich aufstocken muss. Aber welcher junge Ingenieur bewirbt sich heute bei den Straßenbauverwaltungen der Bundesländer, wenn er nicht weiß, wo sein Arbeitsplatz in drei Jahren ist? Zu den wenigen verbliebenen Vorteilen des Arbeitgebers Staat gehörten bisher verlässliche Rahmenbedingungen für Familiengründung und Hausbau. Wer ohnehin zum Ingenieurnomadentum neigt, findet in der Privatwirtschaft attraktivere finanzielle Bedingungen.

Weiterer Druck zum schnellen Handeln ergibt sich aus den Interessenlagen der Straßenbauverwaltungen der Länder. Warum sollten deren Personalabteilungen jetzt noch viel Energie in die Anwerbung von Ingenieuren für die Bundesfernstraßen stecken, wenn es nicht mehr sicher ist, dass das Land voll davon profitiert? Zu berücksichtigen ist nämlich auch eine Einarbeitungszeit von ein bis zwei Jahren.

Will das BMVI die notwendigen Köpfe für die Umsetzung des Investitionshochlaufs gewinnen, sollte es unabhängig von der notwendigen Grundgesetzänderung schnell Klarheit schaffen, wie die Strukturen künftig aussehen. In der Wirtschaft bleiben die Effekte der meisten Fusionen und Unternehmenszukäufe deshalb hinter den Erwartungen zurück, weil weiche Faktoren unterschätzt wurden. Der jetzt anstehende Verwaltungsumbau ist im Grunde nichts anderes.

Autobahn- oder Bundesfernstraßengesellschaft?

Doch wie können die künftigen Strukturen aussehen? Zwei Kernfragen müssen geklärt werden:

  • Welche Rolle kommt künftig den Bundesstraßen zu?
  • Wie muss die VIG aufgestellt werden?

Die Antworten hängen gegenseitig voneinander ab.

Die „Bundesstraßen“ sind im Grunde ein Relikt aus den Zeiten des Deutschen Reiches, als es noch keine Autobahnen gab. Im Grundgesetz erfahren sie insofern abstrakte Unterstützung, als der Bund mit der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse beauftragt ist. Für Verkehre von nationaler oder gar internationaler Bedeutung spielen heute die wenigsten Bundesstraßen eine nennenswerte Rolle. Daher wäre eine Abtretung an die Länder im Sinne des Subsidiaritätsgedankens nur konsequent. Dass die Länder vom Bund eine Ablösezahlung für unterlassene Sanierung und einen laufenden Betrag für die hinzugekommenen Landesstraßen fordern würden, ist legitim, stellt aber keine unüberwindbare Hürde dar. Österreich hat es auch geschafft.

Die Abtretung der Bundesstraßen würde nebenbei ganz neue Perspektiven für eine technisch einfache Lkw-Mautausweitung auf das gesamte (!) nachgeordnete Netz eröffnen: Es werden im Maut-Bordgerät alle gefahrenen Kilometer erfasst, das lässt die Technik schon heute zu. Davon abgezogen werden bei der Abrechnung die wie bisher streckenscharf erfassten Autobahn-Kilometer, den Rest erhalten die Länder, die ihrerseits die Kommunen angemessen an den Einnahmen beteiligen.

Abhängig davon, ob die VIG eine reine Autobahn- und Schnellstraßengesellschaft nach österreichischem Modell wird oder ob sie auch die Bundesstraßen betreut, sind Aufgaben und innere Struktur zu gestalten. Beispiel Straßenmeistereien: Es wäre zum Beispiel kaum sinnvoll, für die Bundesstraßen eine eigene VIG-Struktur parallel zur Organisation der Länder aufzubauen. Kenner der Szene vermuten aber, dass die Länder schon heute einen Teil ihrer Kosten für den Betriebsdienst auf den Landesstraßen unzulässigerweise auf den Bund abwälzen.

Langfristig scheint also einiges dafür zu sprechen, die VIG nur auf Autobahnen und autobahnähnliche Strecken wie etwa die „Nordharzautobahn“ B6n zu beschränken. Kurzfristig spricht die fällige Ablösezahlung an die Länder dagegen.

Deges als Blaupause ungeeignet

Für die VIG gibt bereits zwei potenzielle Kristallisationskerne: Die Deges und die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG). Im Falle der VIFG ist der Übergang in die neuen Strukturen wohl kaum ein Problem. Auch künftig muss Geld für Planung und Bau angewiesen und abgerechnet sowie seine Verwendung kontrolliert werden.

Bei der Deges hingegen ist das „potenziell“ in Anführungszeichen zu setzen: Das dahinterstehende Konzept – ein Pool von bundesweit einsetzbaren Ingenieuren, primär für größere Projekte – ist nämlich weder beliebig skalierbar noch dazu geeignet, eher zur Sesshaftigkeit neigende Bewerber anzusprechen. Auf die wird die neue Gesellschaft aber nicht verzichten können.

Es wäre auch nicht zweckmäßig, auf solche Mitarbeiter zu verzichten. Eine der unbestrittenen Stärken der Auftragsverwaltung ist ihre regionale Verankerung und starke personelle Kontinuität. Die Mitarbeiter vor Ort kennen „ihre“ Brücken, „ihre“ Tunnel und „ihre“ Problemfahrbahnen – übrigens genauso wie bei der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV). Wenn es zutrifft, dass der Investitionsschwerpunkt in den nächsten Jahren auf dem Erhalt liegen soll, ist die regionale Kompetenz und Vertrautheit mit den Objekten noch wichtiger. Wie feingliedrig die VIG am Ende in der Fläche aufgestellt sein muss, hängt ganz entscheidend davon, ob die Bundesstraßen dabeibleiben oder herausfallen. Weitere Anregungen kann der Blick auf die sehr unterschiedlich aufgestellten Länderverwaltungen und die österreichische Asfinag liefern.

Allerdings sollte der Bund bei Bestimmung der VIG-Standorte nicht trödeln und sich gegebenenfalls schon festlegen, bevor das Organigramm im Detail steht und die Grundgesetzänderung abgesegnet ist. Beim Kampf um die Köpfe steht er zukünftig im Wettbewerb mit den Ländern. Will er da mithalten, muss er sich als verlässlicher Arbeitgeber positionieren. (roe)

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