MEINUNG: Wie ein Lang-Lkw-Regelbetrieb aussehen könnte

Wie soll es nach dem Ende des Feldversuchs mit dem Lang-Lkw weitergehen? „Am besten gar nicht!“, sagen Linke, Grüne und Teile der SPD. Doch so einfach sollte sich die Politik die Entscheidung nicht machen. Fest steht: Mit dem Lang-Lkw lassen sich beim Transport von Volumengütern im Vergleich zum Normal-Lkw mindestens 15 Prozent Kraftstoff und damit CO2 einsparen. Es wäre dumm, dieses Potenzial von vornherein auszuklammern.

Der 60t-Lkw ist tot

Ebenso klar muss aber auch der Speditionsbranche gesagt werden: Der 60t-Lang-Lkw hat in Deutschland keine Chance. Die Brücken aus den sechziger bis achtziger Jahren bröckeln schon unter der Flut der heutigen 40t-Lkw, weil sie nie dafür ausgelegt waren. Zwar verteilt sich die Last auf mehr Achsen, aber für die typischen 30 bis 40m langen Brückenbögen macht es eben doch einen Unterschied, ob ein 40t-Lkw oder ein 60t-Lkw darüberfährt.

Darüber hinaus sind Schutzeinrichtungen wie zum Beispiel Leitplanken in Deutschland auf einen 38t-Lkw ausgelegt. Welcher Speditionsverband ist bereit, die Verantwortung zu übernehmen, wenn ein 60t-Lang-Lkw dort in die Gegenfahrbahn durchbricht, wo ein 40t-Lkw aufgehalten worden wäre? Um gleich einem Argument zuvorzukommen: Für eine Nachrüstung der Infrastruktur zugunsten einer überschaubaren Zahl von 60t-Lang-Lkw ist das wenige Geld zu schade.

Und überschaubar würde die Zahl bleiben: Ein Potenzial von maximal 4000 bis 10000 Lkw sieht die Zwischenbilanz der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) bei einer Freigabe des Gesamtnetzes.

Das beschränkte Netz bleibt

Doch auch von diesem Gedanken sollte sich die Branche verabschieden: Die Zwischenergebnisse belegen, dass es einige Stellen gibt, wo Lang-Lkw anecken – im wahrsten Sinne des Wortes. Das sind Stellplätze an den Autobahnen, Nothaltebuchten in Tunneln, Abbiegesituationen an Landstraßen und Kreisverkehre. Der Lang-Lkw eignet sich nicht für das freie Zirkulieren auf demjenigen Netz, das normale 40t-Lkw mehr oder weniger konfliktfrei befahren können. Er wird also eine Ausnahme bleiben.

40t und eingeschränktes Netz: Diese Restriktionen begrenzen die immer wieder beschworene Gefahr, der Lang-Lkw könne der Schiene Ladung wegnehmen. Im Feldversuch hat es dafür bisher keine belastbaren Anzeichen gegeben. Zugegebenermaßen kann das der begrenzten Fallzahl geschuldet sein – aber möglicherweise auch der Tatsache, dass sich ausgerechnet zwei besonders aufkommensstarke Bundesländer komplett querlegen. Sie verhindern damit zwar, dass die Unternehmer in Versuchung geführt werden, Güter auf eisenbahnaffinen Entfernungen auf den Lkw zu verlagern, aber auch die Erkenntnis, ob es unter derart restriktiven Bedingungen überhaupt geschehen würde. Hinter vorgehaltener Hand wird selbst in manchem schienennahen Verband die reale Bedrohung inzwischen als sehr gering eingeschätzt.

Es gibt übrigens auch Lkw-Spediteure, die mit Blick auf den demographischen Wandel prophezeien, dass sich bald jeder Unternehmer sehr genau überlegen wird, ob er teure Fahrer-Arbeitszeit im Fernverkehr verschwendet oder nicht besser den Hauptlauf auf die Schiene verlagert.

Routengenehmigung statt Positivnetz

Wie könnte also der Lang-Lkw-Einsatz unter den Rahmenbedingungen „40t“ und „beschränktes Netz“ ab 2017 aussehen? Und zwar so, dass er über mögliche Regierungswechsel hinaus Bestand hat?

Einen durchaus bedenkenswerten Vorschlag hat die SPD-Verkehrspolitikerin Kirsten Lühmann schon vor geraumer Zeit als ihre Privatmeinung formuliert: Lang-Lkw sollten wie Großraum- und Schwertransporte von den zuständigen Länderbehörden genehmigt werden. Lang-Lkw-Befürworter erwarten, dass dieses Verfahren gegenüber dem schwerfälligen Modell eines Positivnetzes auf dem Verordnungswege deutlich schneller wäre. Zu konkretisieren wäre höchstens, dass es anders als bei den Sondertransporten nicht um eine Erlaubnis für jede einzelne Fahrt gehen sollte, sondern um eine Art Linien- oder Routengenehmigung. Dabei sollten die bisherigen Vorgaben für Fahrerqualifikation und Fahrzeugausrüstung beibehalten werden – möglichst ergänzt um moderate (!) Berichtspflichten.

Mit diesem Verfahren erhielte die Politik auch weiterhin einen Überblick, wie der Lang-Lkw genutzt wird. Zugleich wäre bei entsprechender Ausformulierung die europarechtliche Vorgabe erfüllt, dass der Einsatz von Lang-Lkw außerhalb Skandinaviens nur im Rahmen von Versuchen statthaft ist.Sie könnte gegebenenfalls nachjustieren, falls es doch zu unerwünschten Verlagerungen von der Schiene auf die Straße kommt. Damit wäre wesentlichen Bedenken seitens der Linken, der Grünen und maßgeblicher Teile der SPD Rechnung getragen. Die Behörden wiederum hätten einen Hebel in der Hand, um unzuverlässige Lang-Lkw-Unternehmer aussortieren zu können.

Auch die Lkw-Unternehmer hätten von diesem Verfahren Vorteile: Der Verlader könnte bei den Preisverhandlungen nicht einfach unterstellen, dass ein Lang-Lkw zum Einsatz kommt und damit den Preis drücken – so ähnlich, wie es bei den Mautsenkungen für Euro-V- und Euro-VI-Lkw der Fall war.

Die Branchenverbände wären gut beraten, sich möglichst schnell an einen Tisch zu setzen und zu versuchen, gegenüber der Politik eine gemeinsame Position zu formulieren. Eine Anschlussregelung muss nämlich spätestens Anfang 2016 stehen, soll sie nicht dem Vorwahlkampf zum Opfer fallen. (roe)

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