Deutsche Handelsflotte schrumpft weiter

Die international tätige Handelsflotte unter deutscher Flagge ist in den vergangenen zwei Jahren noch stärker geschrumpft als es die offiziellen Zahlen des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) ausweisen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor. Danach ging der sogenannte Monitoringschiffbestand – die geschätzte Zahl der im internationalen Verkehr tätigen Schiffe – von 337 Einheiten Anfang 2013 auf 233 Einheiten Ende 2014 zurück, ein Minus von 30 Prozent. Der Bestand liegt damit bei weniger als der Hälfte der von der Branche auf den Nationalen Maritimen Konferenzen 2006 und 2009 zugesagten 500 oder gar 600 Einheiten. Selbst die offizielle Zahl der Handelsschiffe unter deutscher Flagge sank um 18 Prozent von 448 auf 368 Einheiten. Mit einer Zunahme ist kaum zu rechnen: 2014 wurden gerade einmal 18 neue Einheiten an deutsche Reeder abgeliefert. Auf dem Höhepunkt 2010 waren es 318 Schiffe.

Mehr arbeitslose Seeleute

Für die Frage der staatlichen Förderung brisant dürften sein dürften die Zahlen deutscher Seeleute, die sich bei der Zentralen Heuerstelle in Hamburg arbeitssuchend gemeldet haben: Ihre Zahl ist von 364 im Jahr 2006 fast kontinuierlich auf 732 im vergangenen Jahr gestiegen. Fast stetig gesunken ist hingegen der Abruf von Mitteln für die Ausbildungsplatzförderung: Waren es auf dem Höhepunkt 2008 rund 7,6 Mio. EUR/Jahr, betrug die Summe 2014 lediglich 2,2 Mio. EUR.

Studentenzahlen sinken

Der Nachfragerückgang nach (deutschen) Seeleuten schlägt sich auch in der Zahl der Studierenden nieder: 2009 gab es noch gut 1800 Schüler und Studierende der Nautik an den Fach- und Fachhochschulen der norddeutschen Länder, 2014 waren es gut 800 weniger. Bei Schiffsbetriebstechnik war der Höhepunkt mit zeitlicher Verzögerung im Jahr 2012 mit 629 Schülern und Studierenden erreicht. 2014 dürften es unvollständigen Zahlen zufolge rund 500 gewesen sein.

Tonnagesteuer wird zum Nachteil

Welche Auswirkungen die andauernde Schifffahrtskrise auf die Reeder hat, wird übrigens indirekt an der Tonnagesteuer deutlich: Während sie in konjunkturell guten Zeiten den Reedern Gewinnvorteile verschafft, die zumindest theoretisch zu Lasten der Steuereinnahmen gehen, hat sie seit 2012 nach Schätzungen der Bundesregierung keine Mindereinnahmen mehr verursacht. Im Umkehrschluss heißt das, dass die Reeder derzeit draufzahlen, wenn sie sich auf die Tonnagesteuer festgelegt haben.

Die Grünen-Schifffahrtsexpertin Valerie Wilms kritisierte gegenüber dem Verkehrsbrief, dass die Bundesregierung noch immer nicht die Bürokratie bei Ein- und Umflaggung eingedämmt hat. Von einem leistungsfähigen Flaggenstaatssystem sei Deutschland weit entfernt. Um das maritime Know-how zu sichern, forderte sie, die Schiffsbesetzungsverordnung zu lockern und die Lohnkostenförderung zu überarbeiten. Im Gegenzug müssten sich aber die Reeder zu dualen Studiengängen verpflichten. Zweifel äußerte sie am Modell der Ablösegebühr für die Stiftung Schifffahrtsstandort Deutschland. Es sei keine gute Lösung für die Ausbildung und rechtlich vermutlich angreifbar. (roe)

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