Die klassische Y-Trasse oder die Umgehungsstrecke Ashausen-Unterlüß sind am besten geeignet, die Schienenengpässe im Raum Hamburg-Bremen-Hannover aufzulösen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Freiburger Beratungsunternehmens BVU, das dem Vernehmen nach im Auftrag des BMVI erstellt wurde. In dem 77 Seiten starken Papier werden alle zehn derzeit im Bürgerdialog erörterten Varianten auf Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) und verkehrliche Wirkung hin untersucht. Die Gutachter orientieren sich dabei grob an der Bewertungsmethodik für den Bundesverkehrswegeplan 2015, der aber zum Zeitpunkt der Untersuchung noch nicht abschließend feststand. Zudem fehlte ein Teil der notwendigen Daten. Sie betonen daher, dass es sich um eine Ersteinschätzung handelt.
Klassische Y-Trasse punktet aufgrund angeblich niedriger Kosten
Der klassischen Hochgeschwindigkeits-Y-Trasse – mit Abzweigung von der Strecke Hamburg-Bremen auf der Höhe von Lauenbrück – attestieren die Gutachter, dass alle „im engeren Untersuchungsraum vorhandenen Engpässe aufgelöst werden können.“ Es verblieben lediglich die Überlastungen westlich und nördlich von Bremen sowie die der Strecke Lehrte-Braunschweig- Beddingen. Der verkehrliche Nutzen resultiert vor allem daraus, dass der schnelle Fernverkehr und Teile des Güterverkehrs auf die neue Trasse umgelegt werden und damit Kapazitäten auf den Bestandsstrecken frei werden. Durch Verkürzung von Reiserouten werden Transportkostenvorteile von rund 4 bis 5 Prozent erzielt, so dass im Güterverkehr 456 Mio. tkm/Jahr von der Straße auf die Schiene verlagert werden könnten.
Verwunderlich mutet allerdings an, dass die Kosten auf nur 2,2 Mrd. EUR (Barwert: 1,6 Mrd. EUR) geschätzt werden. Schon bei der Bedarfsplanüberprüfung 2010 hatte dasselbe Institut angemerkt, dass die damals für die Y-Trasse angesetzten 1,5 Mrd. EUR (Barwert) im Vergleich zu anderen Projekten sehr niedrig seien. Ausgeklammert wurden auch Kosten für den von DB International empfohlenen viergleisigen Ausbau Buchholz-Lauenbrück.
Gute Noten für den kleinen Bypass von Uelzen
Ähnlich gut wie die Y-Trasse schneidet der Neubau einer Strecke von Ashausen (südlich Maschen) nach Unterlüß ab, wo sie in die Bestandsstrecke Uelzen-Celle einmündet. Teil des Vorhabens sind eine Abzweigung südlich von Uelzen zur Stendaler Strecke, ein drittes Gleis von Unterlüß bis Celle und eine Blockverdichtung von Nienburg nach Wunstorf für die Bremer Verkehre.
Auch bei dieser Variante wird der verkehrliche Nutzen durch die Verlagerung des schnellen Fernverkehrs und Teilen des Güterverkehrs getrieben. Durch Reisewegverkürzung könnten im Güterverkehr 770 Mio. tkm/Jahr auf die Schiene verlagert werden. Die Kosten werden auf 2,3 Mrd. EUR kalkuliert. Beide Varianten erreichen ein Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von etwa 1,4.
Aus dem Güterverkehrs-„Y“ wurde ein „I“
Die höchste Verlagerungswirkung erzielt mit 1,1 Mrd tkm/Jahr das „Schienengüterverkehrs-Y“ (SGV-Y), das von Jesteburg (bei Maschen) nach Celle führt. Eigentlich handelt es sich um ein „SGV-I“, denn der ursprünglich zugehörige Ausbau der Amerikalinie Langwedel-Uelzen wurde im Zuge von Optimierungen gestrichen: Den Mehrkosten hätte kein Mehrnutzen gegenübergestanden. Insofern löst die neue Strecke auch nur die Engpässe für die Hamburger Verkehre auf. Neue Engpässe entstehen darüber hinaus zwischen Celle und Lehrte. Bei auf 1,5 Mrd. EUR geschätzten Baukosten wird gerade so eben noch ein positives NKV von 1,1 erreicht.
Bestandsausbau fällt überraschend klar durch
Ausgesprochen schlechte NKV weisen die Varianten zum Bestandsausbau aus. Das liegt an dem fehlenden Mehrnutzen für den Personenverkehr und geringer Verlagerungswirkung. An schlechten Nutzen-Kosten-Verhältnissen scheitern auch der Ausbau der Amerikalinie und die vom Verkehrsclub Deutschland vorgeschlagenen Varianten.
Zwei kleinteilige Varianten warten auf Optimierung
Als Kandidaten für eine detaillierte Optimierung sehen die Gutachter hingegen den Ausbau von Heidebahn und OHE-Strecken sowie die von der aus der Region stammenden SPD-Verkehrsexpertin Kirsten Lühmann ins Spiel gebrachte „Alpha-Lösung“. Diese Variante sieht den Ausbau einzelner Bestandsstreckenabschnitte im ganzen Untersuchungsraum vor, um so die Engpässe zu entschärfen. (roe)