Wenn es auf der Nationalen Konferenz Elektromobilität Anfang dieser Woche so etwas wie ein übergreifendes Gefühl gab, so war es da einer gewissen Ratlosigkeit. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel brachte diese am klarsten zum Ausdruck: Die Politik mache sich lächerlich, wenn sie am Ziel einer Million Elektroautos bis 2020 festhalte, obwohl jeder sehe, dass es unrealistisch sei. Das Ziel aufgeben will er aber auch nicht. „Wir müssen uns etwas einfallen lassen“, war sein Schluss. Das einzige, was ihm selbst einfiel, war zusätzliche Förderung.
Wie wäre es, stattdessen einmal innezuhalten und zu überlegen, ob Politik und Automobilwirtschaft wirklich auf dem richtigen Weg sind? Woran liegt es, dass sich vor allem private Kunden hartnäckig allen Vermarktungsoffensiven widersetzen?
Das Auto symbolisiert Freiheit…
Der Privat-Pkw stand (und steht bis heute!) für jederzeit verfügbare individuelle Mobilität und damit für Freiheit. Der Bürger musste sich nicht mehr dem Fahrplan öffentlicher Verkehrsmittel unterwerfen; er musste das „Beförderungsgefäß“ nicht mehr mit möglicherweise unsympathischen anderen Menschen teilen; er kann sein Auto zu einem ausgelagerten Wohnzimmer, Arbeitszimmer oder Hobbykeller machen. Autofahren hat in Form des Gemeinschaftserlebnisses Stau sogar einen egalitären Aspekt: Welcher Fiat-Panda-Fahrer blickt nicht mit gewisser Genugtuung auf den Porsche Panamera, der neben ihm auf die Leverkusener Brücke zuschleicht?
… das Batterieauto schränkt die Freiheit ein
Inwieweit erfüllt aber das batteriegetriebene Elektroauto diesen Freiheitsbegriff? Eine repräsentativen Umfrage im Auftrage des ADAC aus dem Jahr 2013 zufolge ist knapp ein Fünftel der Autofahrer bereit, eine Stunde Ladedauer hinzunehmen. Weitere 32 Prozent sind bereit, ein bis zwei Stunden hinzunehmen. Das sind Werte, die heute nur mit Schnellladeverfahren bis 80 Prozent Ladestand erreichbar sind.
Ein echtes K.o. bedeuten aber die Reichweitenerwartungen: 56 Prozent der Autofahrer verlangen eine Batteriereichweite von mehr 200km. Nur 21 Prozent wären mit den 100km Reichweite zufrieden, die die meisten heutigen Elektroautos in der Praxis ohne Nervenkitzel erbringen.
Da hilft es nicht, wenn Politik und Autobranche auf tägliche Durchschnittsfahrleistungen von 40 bis 50km verweisen: Das Wesen des Durchschnittsbegriffes ist, dass er Ausschläge nach unten und oben umfasst. Wer kann sich eine Urlaubsfahrt über 700km vorstellen, bei der alle 150 km ein „Tankstopp“ von mindestens einer Stunde notwendig ist – vielleicht sogar noch mit Kindern an Bord? Um es kurz zu fassen: Das Batterieauto erfüllt nicht das umfassende Freiheitsversprechen des Verbrenners. Es wird auf absehbare Zeit auf die Rolle als Zweitwagen beschränkt bleiben.
Elektromobilität ist mehr als E-Auto
An diesem Punkt wiederum wird zumindest für die Ballungsräume die Frage akut, ob es zur elektrischen Zweitwagenkultur nicht bessere Alternativen gibt, sei es der ÖPNV oder das Pedelec. „Wenn in meiner Stadt jeden Tag 500.000 Autos 23 Stunden rumstehen, ist es egal, was für ein Motor drin ist“, klagte Städtetagspräsident Ulrich Maly auf einer VDV-Veranstaltung im März. Auf jeden Fall ist zu fragen, ob der Steuerzahler herangezogen werden soll, um diese Zweitwagenkultur zu konservieren oder zu subventionieren.
Apropos Subvention: Die ADAC-Umfrage signalisiert, dass die immer wieder diskutierten 5000 EUR Kaufprämie nicht reichen würden: Damit würde man – bei angenommenen 10-15.000 EUR Mehrpreis – höchstens 1,6 Prozent (!) zusätzliche Fahrzeuge auf die Straße bringen. 42 Prozent sind übrigens nicht bereit, für ein E-Auto auch nur einen Cent mehr zu bezahlen.
„Dekarbonisierung“ ist nur mit Elektromobilität zu schaffen
Andererseits führt langfristig kein Weg an einer „Dekarbonisierung“ des Verkehrs vorbei. Geschehen nicht noch physikalisch-technische Wunder, läuft das hauptsächlich auf eine Elektrifizierung mit regenerativ erzeugtem Strom hinaus. Die „Tank- versus Teller“-Diskussion rund um Biotreibstoffe will wahrscheinlich niemand mehr wiederholen.
So berechtigt der Hinweis ist, dass es mit elektrischen Bahnen schon etablierte E-Mobilität gibt, so richtig ist aber auch, dass 80 Prozent der Personenverkehrsleistung in Deutschland heute im motorisierten Individualverkehr erbracht werden. Selbst bei allergrößten Anstrengungen zur Verkehrsverlagerung wird ein mittlerer zweistelliger Prozentsatz übrigbleiben.
Die Frage lautet, wie man diesen „Residual-MIV“ elektrifiziert. Das Batterieauto wird – wie bereits dargelegt – für die Mehrheit der Bürger auf absehbare Zeit keine akzeptable Alternative zum Verbrenner-Erstauto darstellen.
E-Auto ist mehr als Batterieauto
Diese Alternative könnte das Brennstoffzellen-Fahrzeug sein, das in der deutschen Elektromobilitätsdiskussion merkwürdigerweise nur eine untergeordnete Rolle spielt. Vielleicht deshalb, weil die deutschen Hersteller im Gegensatz zu Koreanern und Japanern bisher kein einziges Serienfahrzeug auf dem Markt haben?
Dabei kommt das Brennstoffzellenauto dem vom Verbrenner geprägten Freiheitsbegriff weit mehr entgegen: Volltanken lässt sich ganz unspektakulär in drei bis fünf Minuten erledigen – ganz ohne Kampf um Ladesäulen und privilegierte Parkplätze. Selbst von Berlin aus sind Hannover und Nürnberg ohne Tankstopp zu erreichen. Da schmerzt es auch weniger, dass es zur Jahreswende nur 50 Tankstellen bundesweit geben soll. Ein Nachteil soll nicht verschwiegen werden: Der Wirkungsgrad vom Windrad bis zum Motor liegt mit 40 Prozent deutlich unter den 90 Prozent des Batterieautos (aber noch deutlich über den maximal 25 Prozent des Verbrenners).
Was bedeutet das für die Verkehrspolitik? Sie sollte sich nicht kritiklos von dem treiben lassen, was Automobilbranche und Industriepolitiker gerade für richtig halten. Wohin das führt, hat das Desaster beim Versuch zum Aufbau einer nationalen Batteriezellenindustrie gezeigt. Spätestens mit Blick auf das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 ist es Aufgabe der Verkehrspolitik, trotz ehrgeiziger Klimaziele die Mobilität sicherzustellen. Ihre Aufgabe ist es nicht, der deutschen Automobilindustrie dabei zu helfen, Folgen einer fragwürdigen Technologie- und Modellpolitik zu kompensieren. (roe)